Sonntag, 15. Januar 2006

Das Geheimnis

"Blablabla....sinnloses Gerede, jeden Tag nur sinnloses Gerede!Wo ist der Verstand der Leute geblieben?" Gerda warf wütend ihr Pausenbrot in die Mülltonne. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Wieder einmal schienen alle Menschen von einem anderen Planeten zu kommen, wo man eine andere Sprache sprach und den Wert auf alle grundsätzlich unwichtigen Sachen der Welt legte.
Tief in ihre Gedanken versunken setzte Gerda sich auf ihre Lieblingsbank im Park. Einfach nur die Seele baumeln lassen, hoch hinauf in die rauschenden Baumkronen blicken und sich seinen Gedanken hingeben, das war Gerdas liebste Beschäftigung am Nachmittag.
Anders als ihre Klassenkameradinnen machte Gerda sich herzlich wenig aus ihrem Aussehen, interessierte sich nicht für die neuesten Modekreationen und war sich bewusst, dass sie jeden Tag die "Out - Spalte " in den Zeitungen erfüllte. Doch was wussten die anderen Mädchen der Schule schon von Gerda. Für die war sie doch nur die stille, etwas verschrobene Gerda, die absolut uncool und unbeliebt war und mit der man sich lieber nicht sehen ließ.
Die Jungs der Schule wussten nicht einmal, dass es eine Gerda auf ihrer Schule gab, außer vielleicht der Thomas, so sagte man es sich jedenfalls, aber ganau wusste das keiner.
Auch das Gerda ein Geheimnis hatte, das wusste keiner. Und das würde auch keiner erfahren, denn Gerda würde sich hüten, es irgendjemandem zu erzählen.
Gerdas Vater wusste auch nichts von Gerdas Geheimnis, er war auch viel zu beschäftigt mit seiner Arbeit, als dass er sich für Gerdas Geheimnisse interessieren würde. Gerdas Mutter starb vor vor vierzehn Jahren bei Gerdas Geburt und Gerda hatte sie nie wirklich kennengelernt.
Gerda saß auf ihrem Lieblingsplatz und blickte in die saftig grünen Baumkronen. Gleich war es wieder soweit, gleich war es zwei Minuten nach vier. Gerda stand langsam von ihrem Platz auf und blickte sich unauffällig um, ob sie auch niemand beobachtete und ging dann auf den großen Baum zu. Sie strich über den rauen Stamm, sprach ihre geheime Formel blickte sich noch einmal kurz um und verschwand im Inneren des Baumes.
Sie ging ein kurzes Stück durch einen dichten Nebel, bis sie den Tau durch ihre Sandalen an den nackten Füßen spürte. Sie atmete die morgenfrische Luft ein und ließ ihren Blick über die saftig grünen Hänge schweifen. Am Horizont säumte ein schillernder Regenbogen die Hügel und die Sonne schien warm auf Gerdas Gesicht.
Über einen kleinen gewundenen Weg kamen geschäftig drei kleine Gestalten auf sie zu. Gerda ging ihnen fröhlich entgegen und als sie auf gleicher Höhe waren begrüßte sie sie freudig.Sie schloß sich ihren kleinen Freunden an und so gingen sie, wie jeden Tag, gemeinsam den Weg den Hügel hinauf. Bald kamen sie an die Spitze des Hügel und genossen einen kurzen Augenblick lang den wundervollen Ausblick, der sich ihnen bot.
Vor ihnen lag ein azurblaues Meer, dessen Rauschen einen sofort in Besitz nahm und an dessen Ufer sich ein riesiger weißer Sandstrand voller Palmen erstreckte.
Hier war Gerda wirklich zuhause, hier war der Ort, an dem sich die Bewohner Zeit für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens nahmen: Hier war man darauf bedacht, so viel Zeit wie möglich mit Träumen zu verbringen.
Dazu waren extra Hängematten an den Palmen angebracht, in denen man sich von der leichten Brise durchschaukeln lassen konnte und sich ganz seinen Träumen überlassen konnnte.
Gerda zog sich die Schuhe aus und suchte sich eine Hängematte, um ihrer Lieblingstätigkeit nachzugehen: zu träumen.
Als die Sonne langsam unterzugehen begann, rollte Gerda sich entspannt aus der Hängematte. Es war Zeit zu gehen. In ihrer Welt war es nun beinahe sieben Uhr abends und die Haushälterin würde mit dem Abendessen auf sie warten.
Also verabschiedete Gerda sich kurz von ihren Freunden und machte sich auf den Weg zu dem großen alten Baum auf der Wiese, durch den sie wieder in ihre Welt gelangen würde. Liebevoll streichelte sie den Stamm des Baumes und entschwand durch den Nebel in ihre Welt.
Keiner hatte sie bemerkt, als sie aus dem Stamm stieg. Sie machte sich auf den Weg nach Hause.

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